Der
Bayerische Ministerpräsident blickt traurig auf eine versprengte Gruppe
Ufo-Gläubiger, die Reichkriegsflaggen schwenkend und überdimensionale
Grundgesetze in die Höhe reckend von einer Patrouille berittener Polizisten
über den Platz vor dem Reichstag gejagt werden.
Seufzend
wendet er sich um und spricht zu den versammelten Ministerpräsidenten und
Bundesministern. „Wir müssen der harten Realität ins Auge blicken. Bei einer 7-Tages-Inzidenz
von 0,5 lässt sich eine Verlängerung des Lockdowns nicht mehr begründen. Uns sind
schlicht die Mutationen ausgegangen.“ Enttäuscht wirft er seine FFP2-Maske mit
dem bayerischen Rautenmuster auf den Besprechungstisch.
„Aber wir
können die Menschen doch nicht einfach so wieder rauslassen!“, ereifert sich
ein anderer Ministerpräsident.
„Ich fürchte,
genau das müssen wir. Und wir müssen alles wieder öffnen. Geschäfte,
Restaurants, Bars, Schulen, Kultur- und Veranstaltungsbetriebe.“
Betretenes
Schweigen.
Der
Bundesgesundheitsminister nießt. „Verdammter Schnupfen. Der nervt.“
„Ja, diese
dämliche Schnupfenviren. Wir fliegen auf den Mond, aber gegen das
Schnupfenvirus haben wir immer noch keine Mittel gefunden“, schüttelt Hamburgs
regierender Bürgermeister den Kopf.
Die
Anwesenden blicken auf. Der Gesundheitsminister tippt wild auf seinem iPad
herum. „Stimmt!“, verkündet er euphorisch. „Gegen das Rhinovirus gibt es weder
ein Heilmittel noch eine Impfung!“
Euphorie
bricht aus. „Wir müssen jetzt schnell und entschlossen handeln! Lockdown!“
Tosender Applaus.
Hektische
Betriebsamkeit bricht aus. Das Gesundheitsministerium bestellt im
Open-House-Verfahren 80 Millionen Fläschen Schnupfenspray zum Preis von 5,50 €
pro Stück, freilich ohne sie jemals abzunehmen oder zu bezahlen.
Im gleichen
Atemzug werden 160 Millionen Päckchen Papiertaschentücher zum Preis von 2,00 €
/ Packung geordert. Am Tag der Bestellung monieren die Linken in einer
aktuellen stunde im Bundestag, dass mit dieser Bestellung den Staaten der
Dritten Welt der Zugang zu Papiertaschentüchern praktisch vollständig verwehrt
wird. Tags darauf greifen sie in einer Presseerklärung die Bundesregierung an,
zu wenige Papiertaschentücher geordert zu haben, da die Bestellung nur für
knapp zwei Päckchen pro Bürger reichen würde. Und die seinen nach zwei Tagen
aufgebraucht.
Das RKI teilt
auf einer eilends einberufenen Pressekonferenz mit, dass vom Tragen roter
Clownsnasen aus Schaumstoff ausdrücklich abgeraten werde. Mit zufriedenem
Gesichtsausdruck verkündet der Virologe und Institutsdirektor an der Charité in
Berlin, dass während der Rhinovirus-Pandemie natürlich alle Friseurgeschäfte
geschlossen bleiben müssten.
Zwei Wochen
später wird das Tragen sogenannter „Alltags-Clownsasen“ im öffentlichen
Nahverkehr und beim Einkaufen per Eilverordnung verpflichtend gemacht, weitere
zwei Monate später sodann das Tragen von FFP-5-Clownsnasen.
Im Zuge der
Diskussion um Clownsnasen gibt die Parteivorsitzende der Grünen zu Bedenken,
dass „die Clownsnase“ geschlechterdiskriminierend sei und regt an, künftig von
die/der/das Clownsnase*in*rich*divers zu sprechen. Die Fraktion der AfD
verlangt zu dem Thema eine aktuelle Stunde.
Erschütternde
Zahlen werden im Verlauf der Pandemie veröffentlicht. Im RKI-Dashboard wird
eine 7-Tage-Inzidenz von 30.000 angegeben, was bedeutet, dass von 100.000
Bewohnern 30.000 mit dem Rhino-Virus infiziert sind.
Das Rhino-Kabinett
erklärt, dass mit einem Ende des Lockdowns frühestens bei einer
7-Tages-Inzidenz von 12,75 gerechnet werden kann.
Wissenschaftliche
Studien belegen, dass nahezu 99,275% der deutschen Bevölkerung bereits mit dem
Rhinovirus infiziert war oder aktuell ist.
Aus einer vom
Gesundheits- und Familienministerium kofinanzierten Studie geht derweil hervor,
dass bestimmte Bevölkerungsgruppen mit deutlich schwerwiegenderen
Krankheitsverläufen zu rechnen haben. So schient das Virus vor allem die
männliche Bevölkerung mit der besonderen Mutation Rhino/M heimzusuchen und zum
umgangssprachlich sogenannten Männerschnupfen zu führen. Dieser weist besonders
schwerwiegende Krankheitsverläufe auf und zeigt eine deutlich erhöhte
Sterblichkeitsrate von 0,0004%.
In Anbetracht
der besonderen Brisanz entschließt der Ethikrat, dass es Männern bis zum Ende
der Pandemie untersagt ist, ohne triftigen Grund das Haus zu verlassen. Als
triftiger Grund gilt alleine die Sicherstellung der Bierversorgung. Im Übrigen
sind Männer auf die Versorgung durch Frauen oder Amazon.de angewiesen.
Zwischenzeitlich
wurde von der Charité ein Rhino-Schnelltest namens „Tempo“ entwickelt. Der
Proband muss dabei in ein ‚Tempo‘ rotzen. Ist Schleim zu entdecken, wird
sofortige Quarantäne angeordnet.
Die Pharmaindustrie
verspricht, Impfstoffe, die schon seit Jahrhunderten nicht entwickelt wurden,
auch nicht zu liefern, um die Pandemie nicht vorzeitig abzubrechen. Die EU
bestellt dennoch nichts. Derweil wird in Großbritannien Nasivin intravenös
verabreicht.
Die Kanzlerin
bittet die Bevölkerung mit Botox-versteinerter Betroffenheitsmine um
Verständnis und Besonnenheit in diesen schweren Zeiten.
Aufmüpfige
Clownsnasen-Verweigerer demonstrieren im gesamten Bundesgebiet. Sogar als
Frauen verkleidete Männer werden unter den Demonstranten gesichtet. Bei der
zentralen Kundgebung in Berlin wird unter tosendem Applaus als Gastredner der
‚einzige echte Bewahrer der Demokratie‘ Donald Trump angekündigt, welcher
seinen Auftritt allerding wegen des kurzfristigen Verlustes seines Toupets
absagen muss. Statt seiner Spricht Wladimir Putin.
Wirtschafts-
und Finanzministerium beschließen gemeinsam umfangreiche
Unterstützungsmaßnahmen für die betroffenen Wirtschaftszweige. Künstler uns
Soloselbständige erhalten über ein kompliziertes Beantragungsverfahren, welches
nach drei Monaten immer noch nicht funktioniert, kostenlose Bibliotheksausweise
und Platzkarten für die Tafeln.
Gaststätten
und Beherbergungsbetriebe verbleiben bei dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Da
diese Branchen jedoch aufgrund der andauernden Schließungen von
Kostenreduktionen profitieren, wird ihnen ein fiktiver, zu versteuernder
Rhino-Gewinn zugerechnet, welcher 50% unter dem Umsatz der Vorpandemie-Zeiten
liegt. Steuer-Stundungen von bis zu 3 Monaten werden großzügig zu einem
Zinssatz von 6 % gewährt. Die so eingenommen Steuern werden sodann an
Großkonzerne ausgekehrt. Zur Finanzierung von Mitarbeiter-Abbauprogrammen.
Max Cooper
(www.maxcooper.de) verfasst Kurzgeschichten und Romane.
Aktuell im
Handel: Der Roman „Sühnegeld – Rachefieber in Garmisch“ und die
Kurzgeschichtensammlung „Geschichten paradoxer Welten“
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